Wie Eltern bei Legasthenie helfen können
1. Training der Funktionen:
Wer an Legasthenie oder LRS leidet muss nicht unbedingt an einer tatsächlichen Lese- und/oder Rechtschreibschwäche leiden. Bevor zu diesem Thema überhaupt weitere Massnahmen eingeleitet werden, müssen die Funktionen des Menschen überprüft werden. Gemeint sind hier vor allem die kognitiven und visuellen Reize, die der betroffene aufnimmt. Hat dieser zum Beispiel Schwierigkeiten bestimmt Lauter überhaupt zu hören, wird er diese auch nicht Lisen oder schreiben können. Gleiches gilt natürlich auch für vermeintliche betroffene Personen, die aufgrund ihrer Sehkraft medizinische Defizite aufweisen. Darum ist es wichtig, diese Funktionen SEHEN und HÖREN durchaus abzuklären, bevor man mit einer „Therapie“ überhaupt beginnt. Auch psychische Störungen können dazu führen, dass sich der Betroffene nicht konzentrieren kann. Auch hier muss vorher durch einen Arzt oder Psychologen genauestens abgeklärt werden, ob möglicherweise physische oder psychische Aspekte vorliegen, die eine Lese- und Rechtschreibschwäche erklären können, ohne das eine tatsächliche Legasthenie oder LRS vorliegt.Sollte das Ergebnis positiv ausfallen und es werden schwerwiegende Einschränkungen festgestellt, gilt es zunächst, diese zu beseitigen. Sollte der Test lediglich Einschränkungen zu Tage gebracht haben, die durch ein gezieltes Training behoben werden können, gilt es diese durch gezielte Hör- und Lautübungen auszugleichen.
Tipp 1.1:
Hörübung und Lautübungen: Dazu reicht ein handelsübliches Handy, mit dem Sprechlaute aufgenommen werden. Diese werden dann abgespielt und müssen wiederholt werden. Wichtig dabei ist es, die Laute in einem ruhigen Raum, ohne Störgeräusche aufzunehmen. Die Konzentration der Laute sollte sich auf kurze und prägnante Wörter beziehen: Ente, Hase, Auto usw.
Tipp1.2:
Sehübungen vollziehen: Auch die visuelle Wahrnehmung ist ein wichtiger Bestandteil unserer Lernerfolge. Deshalb sollte die Sehkraft eines vermutlich Betroffenen unbedingt überprüft werden.
2. Training der Aufmerksamkeit:
Aufmerksamkeit ist trainierter und das ohne großen Aufwand. Hier steht die Konzentration und die Aufnahme bestimmter Dinge im Vordergrund, die der Legastheniker oft nicht umsetzen kann. Wichtig hierbei ist es aber dort allen Dingen, den Betroffenen nicht zu überfordern!Tipp: 2.1.
Die erste Trainingseinheit beginnt am Morgen, wenn wir wach und ausgeschlafen sind. Dazu empfiehlt es sich das Radio auf eine Lautstärke zu drehen, die wir gerade noch wahrnehmen können. Die erste Übung besteht darin, dem Moderator zuzuhören und sich fünf Minuten darauf zu konzentrieren. Was spricht er? Diese Trainingsmethode aufmerksam zuzuhören, ist eine wichtige Grundübung, die möglichst täglich wiederholt werden sollte.
Tipp 2.2.
Auf dem Weg zur Schule oder ins Büro können wir direkt mit einer zweiten Methode fortfahren, die unsere Aufmerksamkeit steigert: Schritte zählen! Dafür konzentrieren wir uns auf unseren inneren Rhythmus, der uns auch im leben die Geschwindigkeit vorgibt. Diese Methode ist über den ganzen Tag hinweg problemlos zu praktizieren.
Tipp 2.3.
Die Aufmerksamkeit lässt sich weiter steigern mit zwei weiteren Übungen:
"Ich packe meinen Koffer und …“ ist eine spielerische Methode, sich Dinge zu merken und damit aufmerksam zu bleiben. Ein weiteres geeignetes Spiel ist „Memory, bei dem gleiche Paare in einem Haufen umgedrehter Karten gesucht werden müssen. Eine Steigerung der Aufmerksamkeit kann ebenfalls mit einem Wortspiel fortgeführt werden, indem wir einen Satz bilden. Voraussetzung hierfür sind mindestens zwei Mitspieler. Der erste beginnt den Satz, der zweite fährt fort usw.
Tipp 2.4.
Eine weitere effektive Methode spielerisch Aufmerksamkeit zu trainieren, ist das „Buchstaben-Zähl-Spiel“. Hierbei werden Geschichten oder Texte vorgelesen und der Betroffene zählt die vorab festgelegten Buchstaben. ( Ein Beispiel: Es wird vereinbart den Buchstaben „T“ zu zählen: Frau Holle stand am Fenster und schüttelte ihre Bettwäsche…)
Tipp 2.5.
Stellen Sie hierzu einen festen Plan auf, wann welche Aufmerksamkeitsübungen absolviert werden. Wichtig: Grundsätzlich sollte man hierzu auch einen Arzt oder Psychologen befragen, um den Betroffenen nicht zu überfordern!
3. Trainingseinheiten der Symptomatik
Aus „b“ mach „d,“ aus „k“ mach „g“. Leider ist das wesentlich schwieriger, als es sich meistens anhört. Trotzdem gibt es ein paar tolle Übungen, die hierzu trainiert werden können. Legasthenie fällt durch die Schwierigkeit auf, Buchstaben richtig zuzuordnen. Eine weitere Trainingseinheit beschäftigt sich deshalb natürlich mit dem Verständnis von Buchstaben. Hierbei wird insbesondere das Gehör trainiert.Tipp 3.1: Buchstabensuppe:
Bevor mit der ersten Übung begonnen wird, sollte überprüft werden, wie „buchstabensicher“ das Kind ist. Kennt es alle Buchstaben und kann diese benennen? Falls das nicht der Fall ist, hilft ein Karteikasten. Hierzu werden alle Buchstaben auf einen Karton aufgemalt, diese dann ausgeschnitten und in einen Karteikasten gesteckt. Man zieht nun beliebig die Buchstaben heraus, die benannt werden müssen. Bei besonders kleinen Kindern, kann man die Übung vereinfachen, indem man die Buchstaben, die gezogen werden „vorsagt“ und diese nach Benennung wieder zurück in die Box legt. Diese Methode eignet sich auch sehr gut, um herauszufinden, wie sicher das Kind im Umgang mit Buchstaben bereits ist.
Tipp 3.2: Bedeutung der Vokale und deren Länge:
Besonders bei Vokalen fällt auf, dass die Aussprache hier sehr unterschiedlich sein kann. So gibt es Wörter, wie „Tee“ oder „Besen“, die unterschiedlich geschrieben werden, aber doch gleich gesprochen werden. Der Unterscheid liegt in der Länge der Vokale, die letztlich das Wort ausmachen. Das beruht auf einem tiefen Verständnis der Sprache, die wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Verständigung zweier oder mehrerer Personen darstellt. Spricht man diese Wörter nun verkehrt aus, versteht man sie nicht und kann diese auch schriftlich nicht richtig erfassen. Dieses Verständnis ist eine wichtige Grundlage, die zur Übung der Lese- und Rechtschreibschwäche vorliegen muss.
Tipp 3.3: Bildung von Wortschleifen:
Die zweite Übung dazu, ist für Kinder gedacht, die alle Buchstaben fehlerfrei benennen können. Zunächst sollten Wörter geübt werden, die sich am Wort „SALAMI „ orientieren. Sogenannte Stopp-Konsonanten, wie t, p, usw. sind für die ersten Übungen nicht sonderlich geeignet. Daher verwendet man Buchstabenkombinationen, die sich abwechseln und einfach auszusprechen sind. Diese trainiert man langsam, indem der erste Buchstabe gesprochen wird und der Betroffene Zeit hat, den zweiten Buchstaben zu erkennen und zu sprechen. Er rutscht sozusagen von Buchstabe zu Buchstabe, bis das gewünschte Wort besteht. Wichtig hierfür ist es, möglichst Wörter zu finden, die prägnant und kurz sind: Mona, Auto, Banane, Lolli, usw. Diese Trainingseinheit sollte täglich wiederholt werden; natürlich auch mit neuen Wörtern. Für Eltern und Kinder ist das eine spannende Geschichte, da beide als Team fungieren: Die Eltern „entwerfen“ die zu sprechenden Wörter und die betroffenen Kinder sprechen diese: „ Schau mal, Lukas, ich habe wieder neue Wörter für Dich entdeckt, die wir üben können..“ Nehmen Sie auch Namen dazu, wie LUKA, UDO oder auch Namen, die zur Folge passen und im eigenen Familienkreis vorkommen.
Wichtig: Für die Motivation beim „Wortschleifen“ist, dass Betroffene ein Erfolgserlebnis verspüren müssen, um zukünftig weiter an der Problematik zu arbeiten. Deshalb sollte man möglichst kurze und prägnante Wörter nutzen, die sich das Kind leichter einprägen kann.
Tipp 3.4: Das Wort verstehen lernen:
Erfolg kann sich nur dann einstellen, wenn der Betroffene auch versteht, was er lernt. Früher war man der Meinung, das Silbenbildung eine der Massnahmen ist, Wörter zu erlernen. Heute weiß man aber, dass Wortbausteine zum Erlernen der Sprache wichtiger sind. Wortbausteine bilden den Kern des Wortes ab. Ein Beispiel: Das Wort Verkaufen besteht aus dem Wortbaustein „Kauf“ ( Wortstamm) , der Vorsilbe „Ver“ und der Endung „ en“. Die Endung und die Vorsilbe sind immer wiederkehrende Wortbausteine. Das Hauptwort heißt in unserem Beispiel „kauf“ und signalisiert dem Verwender die Bedeutung.
Tipp 3.5 Laute aufnehmen und zu Papier bringen
Bei dieser Methode, werden laute oder Wörter per Audio aufgenommen und abgespielt. Im Gegensatz zu Methodik unter 1.1 werden diese nun zu Papier gebracht. Auch hier sollte erwähnt werden, dass die Laute und Wörter kurz, prägnant und ohne Störgerausche aufgezeichnet werden sollten, damit diese auch gut umsetzbar sind. Je nachdem, wie sicher sich der Betroffene ist, kann der Schwierigkeitsgrad der Wortauswahl erhöhen.
Ein Beispiel:
Leichter Schwierigkeitsgrad: Ente, Anna, Suppe, Mama, Papa, Auto
Mittlerer Schwierigkeitsgrad: Fahren, gehen, laufen
Hoher Schwierigkeitsgrad: Topf, Kohl, auch, Decke
Wichtig hierbei ist ebenfalls das Erfolgserlebnis des Betroffenen. Deshalb macht es durchaus Sinn, langsam zu beginnen und sich dann zu steigern. Wie auch in anderen Dingen, hat jeder von uns seine eigene „Geschwindigkeit“ Dinge umzusetzen. Bei dieser Trainingseinheit kommt es nicht auf Schnelligkeit an, sondern vor allem auf die Richtigkeit der geschriebenen Wörter!
Tipp 3.6 : Gesellschaftsspiele können helfen!
Spielen Sie Scrabble, Schach oder Mühle. Beinahe alle Gesellschaftsspiele sind für Legastheniker geeignet und ein sehr gutes Mittel, Konzentration und Aufmerksamkeit zu fördern.
Tipp 3.7: Ordnung schaffen
Ein arbeitsfreundliches und geordnetes Umfeld schaffen: Studien haben gezeigt, dass Legastheniker und LRS -Betroffene besonders gut arbeiten können, wenn sie sich in einem geordneten und sauberen Umfeld bewegen. Das kann zum Beispiel ein aufgeräumter Arbeitsplatz sein.
Tipp 3.8: Auf Pausen setzen!
Lernpausen schaffen und Überforderung unbedingt vermeiden! Hier gilt: In der Ruhe, liegt die Kraft.
Tipp 3.9: Belohnung muss sein
Bemühungen, die mit allen gestellten Aufgaben einher gehen, müssen honoriert werden! Wer sich bemüht, um Dinge zu erreichen, schafft das einfacher, wenn am Ende eine Belohnung winkt. Diese muss nicht zwingend materieller Natur sein.
Tipp 3.10: Misserfolge gehören dazu!
Misserfolge kommen vor und sind nicht der Untergang der Mission. Ohne Motivation bei Misserfolgen, geht es oftmals nicht voran. Daher ist es wichtig, wieder aufzustehen und am Erfolg anzuknüpfen.
Tipp 3.11: Arbeitspensum einrichten
Kleine Lernübungen und Tests eigenen sich für Legastheniker/ LRS -Betroffene besser, als Lerntürme. Auch hier gilt die Faustregel: Weniger ist mehr!
Tipp 3.12: Regelmässigkeiten beachten
Feste Lernzeiten und Übungspläne einführen! Das gilt besonders für die jüngeren Kinder, um, diese vor Überforderung zu schützen.
Weitere Tipps und Informationen finden Sie unter www.legastheniker.de